Das Formfeld, die zweite mehrtägige Veranstaltung des gemeinnützigen Verein Atelier 17111 e.V. fand vom 09.–15.08.2021 statt. Da wir allesamt den Drang spürten, nach einem Jahr des Rückzuges und der Selbstreflektion wieder praktischer und vor allem gemeinsam zu arbeiten, entschieden wir uns bereits zu Beginn der Planung für einen stark praktisch geprägten künstlerischen sowie handwerklichen Ansatz. Das Formfeld soll weniger akademisch sein, sondern klassische Bildungsformate aufbrechen, Zugänglichkeit ermöglichen und eine Vielfalt an Herangehensweisen fördern. Das gewählte Thema lautete so „gemeinsam Raum bilden“. Darunter verstehen wir drei wichtige Teilaspekte; gemeinsam als Menschen zusammenkommen und den kollektiven Raum überhaupt erst als solchen erschaffen; den Ort künstlerisch, handwerklich sowie bildnerisch bearbeiten und außerdem geistige Räume erschaffen und damit den Ort verändern.
Konkret wurde dies umgesetzt in sieben Workshops aus den Bereichen Kunst, Musik, Theater, Architektur und Landwirtschaft. Im späteren Verlauf des Berichts werden die einzelnen Workshops genauer erläutert. Das Rahmenprogramm wurde gefüllt mit Yoga und Meditation am Morgen, einer Diskussion sowie regelmäßigen Austausch Runden. An manchen Abenden gab es auch Musik, Kino, sowie Karaoke und eine Open Stage.
Um die Veranstaltung so zugänglich wie möglich zu gestalten haben wir uns auch in diesem Jahr für ein gemeinschaftliches Finanzierungsmodell entschieden. Das bedeutet, dass Interessierten ein Richtbetrag von 250€ angegeben wurde und jede*r konnte selber entscheiden, wieviel im Endeffekt überwiesen wird. Für das Wochenende wurden 50€ vorgeschlagen. In den Richtbeträgen waren jeweils Vollverpflegung (außer alkoholische Getränke und Kuchen) mit inbegriffen, sowie für die Wochen Gäst*innen 21 Workshop Stunden. Neben großzügigen Förderungen der Ehrenamtsstiftung, dem Landkreis Mecklenburgische Seenplatte, sowie der Norddeutschen Stiftung für Umwelt und Entwicklung, machte ein Crowdfunding über den Anbieter startnext dieses Modell möglich.
Zum Wochenende öffnete sich das Formfeld und Interessierte konnten Wochenend Tickets buchen. Diese konnten sich in einer Ausstellung das in den Workshops Erarbeitete ansehen und die allgemeine Festival Atmosphäre genießen. Da der Ticket Verkauf lange schleppend verlief entschlossen wir uns außerdem dazu, Tage(s)tickets anzubieten um es so für mehr Personen möglich zu machen, an der Veranstaltung teilzunehmen. So kamen Interessierte erst ein paar Tage später an, reisten früher ab oder blieben auch nur für einen Tag. Hierbei wurde ein Tagesbeitrag von 25€ vorgeschlagen, die Teilnahme an einem der Workshops war möglich.
BauLab – Praktische Raumbildung
„BauLab“ wurde von zwei Mitgliedern des Organisations-Teams geleitet. Marius studiert Architektur an der UdK Berlin und Rüdiger ist gelernter Tischler! Beim Bau Workshop ging es direkt weiter von der bereits sehr intensiven Aufbau Woche. An den ersten Tagen wurde ein Modell der Baupläne für die Woche erstellt. Das wichtigste dabei war, dass die Konstruktionen immer in ihre Einzelteile zurückführbar bleiben sollten. Lange Holzlatten sowie Strohballen boten also die optimalen Ausgangsmaterialien.
Über die fünf Tage entstanden so eine Leinwand mit Tribüne zum Kinoabend, eine schwebende Davinci Brücke, unter der ein Konzert stattfinden konnte, anschließend eine Sitzkonstruktion für die Fishbowl-Diskussion und als wäre das nicht schon genug, wurde am letzten Tag noch fleißig an einem DJ-Pult gebaut, wo unser Karaoke-Abend und die abschließende Party stattfinden konnte.
Schade eigentlich, dass es sich nicht um bestehende Konstruktionen handelte, aber vor allem so bleiben sie etwas ganz Besonderes, das es eben nur beim Formfeld gab!
Atelier 17111 e.V.
Studio 17111
Bibbelbereich
„Die Woche auf dem Formfeld Festival hat war ein super schönes Geschenk, ich bin seit ungefähr einem halben Jahr umgezogen und könnte durch Corona nur wenige Menschen kennenlernen und Freundschaften schließen, das war auf dem Formfeld so wunderbar einfach wie selbstverständlich, die offene Atmosphäre, Freunde und Neugier am zusammen tun, basteln, spielen, singen, tanzen und das Gefühl, dass ein Tag 40 volle tolle Stunden hat, gab mir viele Möglichkeiten sich mit Menschen zu verbinden.
Ich bin sehr dankbar und froh dass ich zum Formfeld gehen konnte und werde nächstes Jahr wieder dabei sein, wenn es wieder die Möglichkeit dazu gibt. Abgesehen von dem sozialem konnte ich auch arbeitstechnisch viele neue Tipps und Tricks mitnehmen.
Ich wurde auch daran erinnert, dass es wunderbar ist einfach zusammen zu sein und an etwas zu arbeiten ohne ein Ziel zu verfolgen sehr effektiv und erholsam sein kann.
Nochmal viel Dank für das Vertrauen und die ganze Vor- und Nacharbeit Formfeldies!“
– Dori, hat die volle Woche am Workshop teilgenommen
Squash e.V.
Freie Clownerie*
„Der Workshop „Freie Clownerie*“ mit Carina Erdmann war von vorne bis hinten purer Spaß. Selten habe ich mit Menschen, die ich noch nicht lange kannte, so viel gelacht, dass ich Bauchschmerzen bekam. Jedoch geht es bei der Clown*erie um viel mehr als Spaß, denn es ist eine schauspielerische Kunstform. Carina hat uns in nur wenigen Tagen grundlegende Skills dieser Kunst nahegelegt. Durch verschiedene Improvisationsspiele und -übungen haben wir viel Raum bekommen um zu experimentieren und unseren individuellen inneren Clown zu entdecken. Schon nach dem ersten Tag kamen die ersten Clowns zum Vorschein: Die eine war flirty, eine andere tollpatschig, wiederum ein anderer Clown extrem cool und etwas zu selbstbewusst. Das Highlight für uns alle war wohl die Übung, bei der wir Gegenständen eine Seele gegeben und diesen pantomimisch dargestellt haben. Hierbei entstand z.B. eine abgeklärte Waschmaschine, eine frierende Sektflasche und noch viel mehr.
Über die gesamte Woche wurden wir immer wieder herausgefordert über unseren Schatten zu springen, den Kopf abzuschalten und vor allem immer GROSSE AUGEN zu machen. Und wenn wir dann doch einmal ohne spontane Idee auf der Bühne standen und uns verloren gefühlt haben, hörten wir immer wieder das wohltuende „Scheitern ist ok!“ von Carina. Denn am Ende waren wir alle dort, um zu scheitern, uns auszuprobieren und vor allem Spaß zu haben. Danke für die spannende und unterhaltsame Zeit, Carina!“
– Teilnehmende der ganzen Woche und ebenso im Organisations Team
Gemeinsammeln
Der Workshop „Gemeinsammeln“ wurde inspiriert durch einen Besuch des Hofes, bei dem der Workshop Gebende auf die vielen verlorenen und teilweise vergessenen Objekte auf des Hofes aufmerksam wurde. Everett Babcock ist ein in Berlin lebend und arbeitender Künstler.
Auf dem Formfeld begann der Workshop mit Spaziergängen, bei denen verschiedenste Objekte erst einmal gesucht und gesammelt wurden. Das Ausgraben und der Transport erwiesen sich einige Male als Herausforderung. Erst nach einer Ansammlung von vielen eindrucksvollen Objekten machte sich die Gruppe daran, Skulpturen zu entwerfen und letztendlich zu installieren. Manche gefundenen Objekte konnten schon als künstlerische Arrangements gesehen werden, andere mussten ausgebuddelt und gründlich gereinigt werden. So verbindete sich das Suchen, das Sammeln und das Tragen der Objekte zu einer umfangreichen Auseinandersetzung mit dem Ort. Immer wieder wurde innegehalten und die Objekte sowie das Zusammengestellte wurden gezeichnet.
Vier Werke wurden schließlich auf der Wiese installiert. Manche mussten fest im Boden verankert werden, andere spielen mit der Schwerkraft und gegensätzlichen Eigenschaften. Allesamt gestalten sie nun den wunderschönen Skulpturengarten, der dem Hof noch lange erhalten bleiben wird.
Klang ist Raum
Der Workshop „Klang ist Raum“ wurde gegeben von Kevin Strüber. Kevin ist Künstler im akustischen Bereich und haben ebenfalls als Fenge auf dem Formfeld gespielt. Seinen Workshop fasst er folgendermaßen zusammen:
„Auf dem Formfeld Festival 2021 habe ich einen einwöchigen Workshop gegeben. Gemeinsam mit 7 Teilnehmer*innen haben wir den Ort Hohenbrünzow akustisch erkundet. Wir haben Soundwalks unternommen, Sounds und Materialien auf dem Gelände gesammelt, um daraus Instrumente zu bauen. Zusammen haben wir eine Art gefunden, gemeinsam zu musizieren und diese Instrumente zu spielen. Und unseren Ausdruck zu finden. In zwei Abschließenden Sessions mit Publikum haben wir unser Ergebnis der Woche präsentiert. Mit den Zuschauer*innen sind wir zunächst auch auf einen kleinen Hörspaziergang gegangen, ohne zu reden. In dieser gesteigerten akustischen Aufmerksamkeit haben wir dann improvisiert.“
Kompostkomposition
Der Workshop „Kompostkomposition“ wurde geleitet von Johanna Häger und Simon Günzel, zwei in der Region Lebenden. Beide arbeiten im Bereich Permakultur. Der Workshop fand von Donnerstag bis Sonntag statt und war damit ein etwas kürzeres Angebot, das vor allem für Gäst*innen am Wochenende ausgelegt war.
Zuerst gab es Inputs zu Bodenkunde und Bodenchemie. Am Ende des Wochenendes zeigte sich eine vielschichtige Komposition, die nun freudig vor sich hin kompostieren kann.
LichtLicht
„Im LichtLicht-Workshop haben wir Helligkeiten und Schatten vor Ort erkundet und insbesondere deren Beweglichkeiten visuell festgehalten. Dabei waren immer unterscheidliche Angebote der analogen oder digitalen Lichterkundung möglich, je nach Vorwissen oder Interesse von uns Teilnehmenden, z.B. mit Lumenprints oder mit dem Arbeiten mit einer Misch-Software für Bild und Video-Material. Zum Ende der Workshopwoche haben wir eine Musik-begleitende video live performance erarbeitet und allen Anderen präsentiert.“
– Tonja, hat die ganze Woche teilgenommen und ist ebenso im Orga-Team
Workshop Forum
Das Workshop Forum haben wir dieses Jahr eingeführt, um gruppenübergreifend zusammen zu kommen und über Erlebtes sowie Gelerntes zu sprechen. Zu Beginn eines Forums gab es immer eine Check-In Runde, bei der Namen und Pronomen genannt wurden. Ein Zusatz, ob ein Wort des Tages oder eine ausführlichere Information wurde über die Tage variiert.
Das Forum sehen wir als Möglichkeit, Gedanken laut Ausdruck zu verleihen und auch Probleme zu adressieren. In unserer Planung haben wir dieses Tool viel genutzt und sind begeistert von dem Moment, bei dem jede Person die volle Aufmerksamkeit bekommt. Dabei soll sich niemand unwohl fühlen, im Gegenteil, das Forum trägt dazu bei, dass jede Person sich gehört fühlen kann und ohne Reaktion Dinge angesprochen werden können.
Auch für das Organisationsteam ist das eine tolle Möglichkeit, um während der Veranstaltung Feedback einzuholen und auch individuelle Bedürfnisse einzugehen. Zum Beispiel wurde der Wunsch geäußert, FLINTA* Duschzeiten einzuführen, oder es konnte über den Gebrauch von Pronomen gesprochen werden.
Des weiteren gab das Forum uns die Möglichkeit, die abschließende Ausstellung zu koordinieren und andere organisatorische Angelegenheiten einmalig an die große Gruppe zu richten.
Je größer die Gruppe wurde, desto länger dauerten die Sitzungen natürlich. Das kann oft anstrengend werden, aber wir verspüren einen großen Mehrwert in diesen Runden und führen sie in unserem Team, sowie bei kommenden Veranstaltungen auf jeden Fall fort.
Fishbowl-Diskussion
Das Wochenende wurde durch unsere Fishbowl-Diskussionsrunde eröffnet, zu welcher auch Gäste aus der Umgebung kommen konnten, ohne ein Ticket zu buchen. Eine Fishbowl ist ein interaktives Diskussionsformat, welches hierarchiefrei und demokratisch abläuft. Es gibt zwei Kreise, einen Inneren und einen Äußeren. Im Inneren sitzen eingeladene Personen, ein Platz bleibt frei und der Äußere besteht aus Zuhörenden.
Zu Anfang der Fishbowl-Diskussion hatten die eingeladenen Gäste des inneren Kreises kurz Zeit, sich und was sie tun, vorzustellen. Anschließend wurde die Diskussion mit einer Fragestellung eröffnet. Nun wurde den im Inneren sitzenden Personen etwas Zeit zum Austausch gegeben, dann der freie Platz aktiviert. Nun konnte sich jemensch aus dem äußeren Kreis in den Inneren setzen und in die Diskussion einsteigen. Sind alle Plätze besetzt, konnte jederzeit eine Person aus dem äußeren Kreis, eine Person aus dem inneren „heraus-tippen“ und sich so in die Diskussion einbringen. Dadurch fand die Diskussion schnell ihren eigenen Lauf, jede*r hatte Raum sich zu beteiligen und einzubringen, auch mehrmals. War dies nicht persönlich gewünscht, gab es zudem die Möglichkeit etwas auf Papier zu bringen und mithilfe einer andere Person in den Kreis zu „delegieren“/Gehör zu verschaffen.
Unter unseren vier eingeladenen Gästen, beschäftigt sich jede*r auf eigene Art und Weise mit dem Thema „Raum bilden“: Henning Bombeck ist Professor für Siedlungsgestaltung und ländliche Bauwerke, mit Arbeitsschwerpunkt im Bereich der Dorf- und Regionalentwicklung, an der Uni Rostock. Johanna Häger, als Zimmerei-Gesellin, studierte Landschaftsarchitektur und Permakultur Design und führt einen Permakultur Hof. Das KuKuMu (Kunst-Kultur-Musik) Café in Berlin Moabit wurde von Moritz und Valentino (, die beide Teil des Formfeld Teams sind) vertreten. Philipp Egger, gelernter Architekt, Landwirt, Tischler und vor allem Initiator der Reaktivierung, des Ausbaus und der Belebung der alten Gutsanlage Hohenbrünzow.
In Anschluss an die einleitende Frage: „Was ist unsere Vision von gemeinsamem Raum? In der Zukunft?“, ist eine vierstündige Diskussion auf Augenhöhe entstanden, in der etliche Aspekte und Dimensionen des gemeinsamen Schaffens von Raum in städtischen und ländlichen Kontexten/Bezugsrahmen Eingang fanden - von der materiellen/physischen Ebene über die natürliche Umgebung bis hin zur emotionalen/psychischen Ebene.
– Bericht von Nouma und Anja, Teil des Orga-Teams und Veranstalterinnen der Fishbowl Diskussion
Ausblick
Wir sind sehr froh, wieder eine so wunderbare Zeit mit Interessierten verbracht zu haben. Das Planungsjahr 2020/21 stellte uns vor besondere Herausforderungen und so verbrachten wir die meiste Zeit vor unseren Bildschirmen, in Skype Calls. Ein Zusammenkommen als großes Team gab es so gut wie gar nicht. Vor allem deswegen war es umso schöner, als die ersten Teilnehmenden den Hof betraten und wir als Menschen wieder zusammenkommen konnten.
Wir sind froh einen Ort geschaffen zu haben, an dem sich Menschen wohlfühlen können und sich kreativ ausleben. Dies hat sich vor allem am freien Nachmittag gezeigt, während dem gemalt, gespielt und geredet wurde. Auffällig und ähnlich wie im letzten Jahr kommen mehrere Einzelpersonen zu unserer Veranstaltung und wir freuen uns sehr, dass dies einen Anreiz bietet und diese Leute sich wunderbar in die Gruppe integrieren konnten.
Gemeinsames arbeiten ist essentiell für uns und wir möchten den Hof, der ja nunmal mit gemeinschaftlichen Bau Aktionen entstanden ist, unbedingt weiterhin mit so vielen tollen Menschen teilen.
Wir freuen uns, in die Organisation für nächstes Jahr zu starten!
Wir haben diesen Verein gegründet, um das Atelier und die Gutsanlage Hohenbrünzow zugänglich zu machen. Wir freuen uns auf kreativen Austausch und möchten euch bei euren handwerklich-kreativen Projekten tatkräftig unterstützen. Wir möchten diesen Platz und Lebensraum gestalten und gemeinsam daran arbeiten, zum Beispiel mit der Frage: „Wie wollen wir hier überhaupt leben?“
Der Atelier 17111 e.V. beschäftigt sich nicht nur damit Kunst, Kultur und Handwerk im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte greifbar zu machen, sondern diese auch in ihrer aktuellen Form zu hinterfragen und neu zu formen. Spielplatz dafür ist die ehemalige Gutsanlage Hohenbrünzow als Werk- und Austauschort. Wir vom Verein Atelier 17111 e.V, der am 18.03.2019 als gemeinnütziger Verein in das Vereinsregister eingetragen wurde, arbeiten alle ehrenamtlich, haben unterschiedliche fachliche Hintergründe und interessieren uns für das gesellschaftliche Netz, das sich zwischen den Disziplinen aufspannen kann, wenn man gemeinsam beginnt es zu suchen.
Der Atelier 17111 e.V. versteht sich als toleranter und offener Ort der Begegnung. Wir stellen uns aktiv gegen jegliche Form der Diskriminierung. Unser Verein soll für jede*n zugänglich sein und gemeinsames Arbeiten und Leben ermöglichen.